Über die Alb / 30.08.2001
Champignons bringen 365 Tage Arbeit im Jahr
Landwirt Frank Geiselhart aus Ehestetten züchtet in vier klimatisierten Kulturräumen braune und weiße Pilze
Von Tanja Freudenmann
Hayingen-Ehestetten. (GEA) Vier seiner Kellerräume betritt Landwirt Frank Geiselhart aus Ehestetten nicht, ohne vorher seine Schuhe
desinfiziert zu haben. Grund dafür: In den klimatisierten Räumen reifen in zahllosen Kisten braune und weiße Champignons. Neben fünfzig Hektar
Land und vierzig Kühen besitzt der 28-jährige Vollerwerbs-Landwirt eine Pilzzucht, die intensiver Pflege bedarf.
Wenn Bauer Geiselhart neue Kisten mit Kultursubstrat und Torf in einen seiner vier Kulturräume bringt, beginnen drei Wochen intensiver Arbeit rund um den
Champignon. Die ersten acht Tage misst der 28-Jährige regelmäßig die Temperatur im Boden, die nicht über dreißig Grad steigen darf, und ist ständig mit
Gießen beschäftigt.
»Der Torf muss so gesättigt sein, dass er trotzdem das Wasser behält«, berichtet
der Landwirt vom ersten Arbeitsschritt. Das sei gar nicht so einfach, da musste er
auch selbst erst ein bisschen »rumexperimentieren«. Ziel ist es nämlich, ein »möglichst grobes Pilzgeflecht«, das so genannte Myzelium, zustande zu bringen,
damit der Boden weiterhin Wasser aufnehmen könne. Wenn dann die ersten Myzeliumspitzen sichtbar sind (»Das sieht ungefähr aus wie ein Wattebausch.«),
raut Geiselhart mit einem Nagelbrett den Boden auf. So verteilt er alles gleichmäßig auf dem Beet. Ab dem zehnten Tag beginnt dann der »schwierigste
Teil« der Arbeit, das dosierte Ablüften.
Risiken ausschließen
Nachdem vorher die Luft lediglich innerhalb der Räume zirkulierte, wird nun kühle
Frischluft zugeführt, damit sich die Fruchtkörper bilden. »Das kriegt man nie so
hin, wie man's will«, schmunzelt Geiselhart. Denn die Raumtemperatur von 22 Grad und Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent sollen nun auf 18 Grad
beziehungsweise 85 Prozent reduziert werden.
Leichter gesagt als getan, spielen dabei doch jede Menge Faktoren eine Rolle: Je nachdem wie schnell oder wie viel Luft zugeführt wird, sprießen die Pilze besser
oder schlechter. Zu Kulturverschiebungen kann es beispielsweise kommen, wenn im Sommer nur heiße statt der gewünschten kühlen Luft in die Kulturräume dringt.
Bei warmem Wetter können sich zudem Milben, Grünschimmel und andere negative Begleiterscheinungen, mit denen Pilzzüchter zu kämpfen haben,
einschleichen. Um solche Risikofaktoren von vornherein ausschließen zu können, muss Geiselhart seine Schuhe vor jedem Besuch in seinen Kulturräumen gründlich
desinfizieren. Zudem darf er stets nur von einer »jüngeren« Zucht in einen Raum mit einer »älteren« Kultur kommen, nicht umgekehrt. »Die Gefahr einer
Krankheits-Übertragung durch die ältere Kultur ist zu groß«, erzählt der Landwirt.
Nach zwei weiteren Tagen, in denen die Zucht nochmals kräftig gegossen werden muss, ernten Geiselhart und seine Verwandten am 18. Tag die reifen
Champignons. Es kann schon zwei bis drei Tage dauern, bis sämtliche Kästen geleert sind. »Ganz so arbeitsintensiv hätte ich mir die Sache am Anfang nicht
vorgestellt«, berichtet der Techniker für Agrarinformatik und Marketing. Denn neben der Aufzucht gehört der Verkauf an Gasthöfe und auf Wochenmärkten
zum Arbeitsaufwand rund um die Champignon-Zucht. »Ohne meine Eltern und meine Frau ginge das gar nicht«, fügt der Landwirt hinzu. Dabei sind seine Räume
noch gar nicht zu hundert Prozent ausgelastet.
Artikel weckte Interesse
Sein Interesse für die Pilzzucht wurde vor sieben Jahren durch einen Zeitungsartikel geweckt. Dieser handelte von Champignons, die auf Strohballen
sprießten. In der Technikerschule in Sigmaringen regte Geiselhart dann einen
Besuch bei einem Champignonzuchtbetrieb in Biberach an, wo er später auch ein Praktikum absolvierte. Erste eigene Zucht-Versuche unternahm der Ehestetter
1995 im eigenen Keller. »Ich wollt' erst mal schauen, ob das auch wirklich funktioniert«, erklärt Geiselhart. Mit dem Bau eigens für die Pilzzucht
vorgesehener Kulturräume professionalisierte der Bauer kurz darauf sein Hobby und schuf sich dadurch neben der Landwirtschaft ein zweites Standbein.
Erfahrungswerte lässt Geiselhart bei seiner Arbeit ebenso mit einfließen wie Informationen, die er auf seinen Reisen in die Pilzforschungsanstalt Krefeld und
bei Kursen in einem holländischen Forschungsinstitut sammelte. Außerdem: »Mit der Zeit kriegt man ein Auge dafür.«
»Es fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, wenn ein Pilzbeet voll steht«, beschreibt
Geiselhart seine Motivation. Die braucht er, denn die Pilzzucht bedeutet 365 Tage Arbeit im Jahr, wie Ehefrau Margret aus Erfahrung spricht. Champignons
nehmen halt keine Rücksicht auf Feiertage.
Hier folgt ein Bildtext. Aus technischen Gruenden können wir Ihnen das zugehörige Bild noch nicht anzeigen.Herr der
Pilze: Der Ehestetter Landwirt Frank Geiselhart hat mit seinen Champignons alle Hände voll zu tun. GEA-Foto: taf
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